Besuch der Düsselquelle

Lieber Tischfreund, 

wer im Internet nach Artikeln sucht, die die Düsselquelle beschreiben sollen, der stößt u.a. auf folgende Zeilen ( http://www.rainersche-post.de/duesseldorf/auf-der-suche-nach-dem-ursprung.php ): 

„…Die Düssel hat keine Quelle, sondern entsteht aus acht Zuflüssen. Recht hat er, denn das sieht Wikipedia inzwischen auch so.

Andererseits gibt es seit rund 40 Jahren eine offezjelle Düsselquelle, einen Stein mit Bronzeplättchen, den einst die Düsseldorfer Jongens gestiftet haben. Und der findet sich in einem Gehöft an der Asbrucher Straße, genauer bei den Hausnummer 92 bis 98, die an einem Weg liegen, der von der Asbrucher Straße, die hier die L355 ist, abzweigt. Was immer die Herren vom Heimatverein bewegt haben mag, diesen Ursprung zu wählen, sie haben dabei in den Müll gegriffen. Wegen der immer stärkeren Absenkung des Grundwassers in dieser Gegend liegt der Gedenkstein schon lange im Trockenen.  …“ 

Nun, als der Tischvorstand die Entscheidung traf, gemeinsam mit der Tischgemeinschaft die Düsselquelle zu besuchen, waren uns solch ganz offensichtlich kölsche Kommentare gar nicht bekannt. Und außerdem, im Trockenen liegt sie nicht, diese Quelle der Düssel, da sollte der Autor irren, aber dazu später mehr. 

So kam er also, jener Sonntag, der 06.07.2014, und unsere Tischgemeinschaft war aufgerufen, sich gemeinsam an der Düsselquelle zu versammeln. Die Aussicht auf heftige Gewitter verlieh dem geplanten Ausflug noch eine gewisse zusätzliche Würze.

Ich startete in Krefeld, bewaffnet mit Fahrrad und Regenjacke, und stieg um 11:30 Uhr in die U76. Nach zweimaligem Umsteigen erreichte ich pünktlich um 13:10 Uhr den Bahnhof „Velbert Rosenhügel“, ein idyllisches Kleinod deutscher Eisenbahngeschichte (klingt so jedenfalls besser, als es sich tatsächlich darstellte). Nun denn, rauf aufs Fahrrad und der Düsselquelle entgegen. Es war trocken, die Temperatur angenehm, wohin ich mußte hatte ich ja über Google ausgedruckt, es ging bergab … herrlich! 

Gut, bergab hörte dann auf, leider!  Die L355 muß man leider zunächst bergauf meistern, dann die erste Einfahrt links, so behauptet Google. Na, das kann ja kein Problem sein, so mein erster Gedanke, der sich bereits kurz drauf ob mangelnder Kondition als übereilt erweisen sollte. Den Gedanken, dieses Stück im Sattel zu meistern, wie einst Jan Ullrich, sich majestätisch aus dem Sattel aufrichtend, den stolzen Blick nur auf das gelbe Trikot fixiert, von den Massen, die die Straße säumen, bejubelt, ja, das war nicht ganz das Bild, das sich den erschrockenen Passanten bot, die einen flüchtigen Blick auf einen schwitzenden Mann erhaschen konnten, der mit Mühe sein Rad diese Steigung rauf schob. Völlig außer Atem kam ich 150 Meter, das hört sich wenig an, ist auch wenig, aber mir hat es gereicht, konnte ich die L355 dann queren zur Einfahrt jenes Gehöftes, bei dem ich die Düsselquelle erwarten durfte. Ja, und was war das denn, hurrah! Es ging wieder bergab, einen Feldweg, und das sehr steil. Ein wenig gewundert hatte ich mich am Anfang darüber, daß auf dem Schild zu der Einfahrt die Hausnummer 100 ausgewiesen war, nicht 98, aber, mal ehrlich, was soll schon passieren, das ist doch direkt beieinander! Ja genau, wie nah das beieinander liegt, das sollte ich noch im Detail erfahren. Am Ende der steilen Abfahrt jedenfalls lag ein Haus. Eins! Der Weg aber endete hier, und ein Ziegenbock, der unbewegt an der Hauswand lehnte, gab mir sein Desinteresse deutlich zum Ausdruck, er blieb unbewegt. Wo war ich denn hier gelandet?!?!  

Nun, lieber Tischfreund, lass mich Dir einen Rat geben: Wenn Du jemals an einem einsamen Gehöft landest, welches zudem die verkehrte Hausnummer hat und keinen Nachbarn mit der richtigen, wenn Dich ein gelangweilter Ziegenbock anstarrt und Du noch nicht genau weißt, ob Du vielleicht doch mal kurz die steile Zufahrt runter rollen solltest um den Bock zu kraulen, dann treffe die richtige Entscheidung: LAUF! 

Ich traf die falsche Entscheidung! 

Welcher Teufel mich auch immer geritten haben mag, ich rollte langsam auf den Ziegenbock zu in der Hoffnung, daß sich hinter ihm die Düsselquelle zeigen möge. Bereits wenige Meter später bereute ich diese Entscheidung, als sich plötzlich ein dumpfes Grollen erhob! Glaube mir, lieber Tischfreund, das heftigste Gewitter wäre mir als Ursache deutlich lieber gewesen, als der Anblick, der sich mir nun bot! Der Ziegenbock hatte einen Freund, den Hund von Baskerville, und die Zwei machten sich wohl einen Spaß daraus, harmlose Mitmenschen in die tödliche Falle zu locken! Nun, dieses Wesen, halb Stier, halb Wolf, war von so ungeheuren Ausmaßen, es hätte sich bücken müssen, um mich in die Brust zu beißen. In Gedanken bereits mit meinem Nachruf beschäftigt drehte ich sofort um und, ja, nun ging es steil bergauf. Steil bergauf ist übrigen das, was bei einer gewünschten Flucht meistens nicht ganz reibungslos funktioniert. Bei meinem Versuch einer heillosen Flucht muß ich ein so erbärmliches Bild abgegeben haben, daß der Hund von Baskerville sich nur noch einen Spaß daraus machte, meine Bewegungsablauf durch lautes Bellen zu beschleunigen. Dann ging er zurück zu seinem Ziegenbockkumpel, und die Zwei haben sicher tüchtig gelacht. Ich nicht so. Völlig außer Atem und bereits am Ende meiner Kräfte gelangte ich zurück zur L355. Gut, nächster Versuch. Ich fuhr weiter nach Links und kam zu einem Feldweg, an dem Hinweisschilder bei mir den Eindruck erweckten, daß ich mit diesem Feldweg eine gute Wahl treffen würde. Es war inzwischen kurz nach Halb, also noch genügend Zeit, nix wie rein in den Feldweg. 

Kaum hatte ich das Feld gequert und den Waldrand erreicht überlegte ich, wie es wohl weiter gehen würde. Links runter ging ein sehr steiler Waldweg, mittig ein ebenfalls steiler Waldweg, rechts runter ein fast ebener Weg. Verflixt, das ist ja wie im Märchen! Drei Wege! Was hätten Hänsel und Gretel jetzt wohl getan? Hätte  ich doch in der Schule bei den Gebrüdern Grimm nur besser aufgepasst! Wie im Märchen hielt dann tatsächlich auch  eine Fee an!  Na ja, es war ein Jogger in Ballonseide, aber echt nett, daß er anhielt, was aber auch meinem inzwischen deutlich erschöpften Zustand anzulasten war. Ich glaube, er wollte eigentlich einen Rettungswagen rufen, oder einen Rettungshubschrauber, aber dann fragte er einfach, wohin ich denn wolle. Die Antwort wäre inzwischen eigentlich „ins Bett“ gewesen, aber ich blieb standhaft. Voller Stolz richtete ich mich noch einmal ein wenig im Sattel auf, streckte die Brust raus und sagte, „Höre, Junker (das habe ich natürlich nicht gesagt, passt aber super zu dieser Märchen-Nummer!), weise er mir den Weg zur Düsselquelle, die gezieret ist von der bronzenen Plakette des größten Heimatvereins Europas, den Düsseldorfer Jonges!“. An dem Punkt sah ich deutlich in den Augen des freundlichen Mitmenschen, daß er nun gerne einen Therapeuten bestellt hätte, aber er behielt Fassung und sagte mir freundlich, daß er nicht die geringste Ahnung habe. 

Nun gut, ich nahm den steilsten Weg nach Links, zurück in Richtung Ziegenbock, wie blöd kann ein Mensch alleine eigentlich sein!?!?! 

Von der anderen Seite wollte ich mich nun der Quelle nähern. Hallo!?!? Geht’s noch!?!?!

Na ja, unten angekommen war da nur Schlamm und Matsch und, endlich, ein Rinnsal! Et Düsselchen! Auf jeden Fall eines davon, aber eben schon aus der Quelle geschlüpft, die ich so verzweifelt suchte!

Nein, hier war sicher keine Plakette, also zurück. Oh weh! Der Weg war echt steil! Das war ja senkrecht! Da muß man sich doch anseilen! Außerdem hatte ich inzwischen einen unglaublichen Durst und nicht einmal Wasser dabei! 

Oben angekommen, ich kann mich nicht an den kompletten Weg erinnern, wahrscheinlich hatte ich zwischendurch die Besinnung verloren, war es dann 5 vor, nein, nicht Zwölf, sondern Zwei. Nur noch 5 Minuten! Inzwischen völlig erschöpft stellte ich mir vor, wie die versammelte Tischgemeinschaft bereits an der Quelle wartete und sich nur fragte, wo denn nun bitte dieser Tischbaas bliebe! Oh nein, ich mußte weiter. Zurück zur L355 und weiter nach Links, immer weiter nach Links!

Dann geschah das Wunder! Ich fuhr die L355 weiter nach Links, bog in die nächste Einfahrt, hier wurde die korrekte Hausnummer ausgewiesen, sofort las ich ein Schild „Düsselquelle, Privatweg, kein Winterdienst!“ und war glücklich! 

Nur ein paar kleine Stufen, da war sie, die Quelle, ich glücklich und … allein! 

Ein Blick auf die Uhr: 14:01 Uhr! Wahnsinn, ich war pünktlich! Pünktlich, glücklich, durstig, allein! Hier mußte doch mindestens ein Tischfreund mit einem kleinen Partyfässchen warten!?!? Ich hatte schließlich mein Leben riskiert (der Hund von Baskerville!), und nun war keiner da!?!?

Egal, nun aber erst einmal schauen, ob das mit der Plakette auch stimmte. Tatsächlich, hier entspringt die „Kein Trinkwasser“, die ja so viele Quellen hat! Oh, vertan, das Schild war aus Blech, nicht aus Bronze, also weiter suchen, ja, da ist die Plakette von 1988. Dazu ein Stein mit der eingemeißelten Inschrift, daß hier die Düssel entspringt! Kein Trinkwasser, so ein Mist, ich hatte einen Durst, der unvorstellbar war. Nun, die Düsselquelle sprudelte, betrieben durch eine Pumpe, aus einem Rohr, welches aus einem kleinen Felsen ragte. Ich bestieg die Quelle, setzte mich auf diesen Stein, und kühlte meine Arme im kühlen Wasser der Düsselquelle, oder was auch immer da hochgepumpt wurde. Dieses Bild von mir auf diesem Stein mit dem Rohr der sprudelnden Quelle unter mir hätte allen Anwesenden sicherlich einen etwas unanständigen Eindruck vermittelt, weshalb ich einigermaßen froh war, den Moment nun doch für mich zu haben. 

Mit nun gekühlten Armen und einigermaßen erholt schaute ich mich nun um. Was war das denn bitte hier? DAS ist DER Ort, an dem die Düssel entspringt?!

Oh mein Gott! Ein schattiger, dunkler, feuchter kleiner Ort, intensiv bewachsen, mit drei Bänken, alle nicht mehr im besten Zustand, zudem dicht beieinander, auf die sich sicher niemand setzen möchte! Auf einer Bank lag ein nasses Küchenpapiertuch, so, als hätte dort vor kurzem jemand seine Notdurft verrichtet, ich war schockiert!  Kurz fand ich Gefallen an dem Gedanken, daß an der Mündung dieses unwürdigen Rinnsales vielleicht Köln statt Düsseldorf liegen würde, aber Köln hat, anders als Düsseldorf oder Duisburg, keinen nennenswerten Zufluss in den Rhein und liegt, wie tausende andere Städte, einfach nur „am Rhein“. Nein, nein, das war schon die Düsselquelle, oder eine davon, oder … ja … so habe ich es dann für mich entschieden, die Düssel hat gar keine Quelle, sie ist einfach da! 

Wann immer man denkt, es könnte ja schlimmer kommen, so kann man sicher sein, es wird schlimmer. Nun begann es zu regnen … 

Lieber Tischfreund, dies ist eigentlich nur der erste Teil der Geschichte, und der zweite Teil ist nicht weniger interessant! Er handelt davon, wie ich endlich, an einer Tankstelle in Wülfrath, Mineralwasser ergatter, mit dem Fahrrad auf einer Landstraße stürze, die Aprather Mühle erreiche und drei Wizenbiere genieße (zwei davon sind bei meinem Durst in meiner Kehle verdampft!), der Deutschen Bahn einen beinahe 1-stündigen Aufenthalt am Bahnhof Wülfrath Aprath verdanke (Foto anbei), weil zwei S-Bahnen ausgefallen sind, wofür ich, der freundlichen Laufschrift am Bahnhof zum Trotz, im strömenden Regen überraschenderweise kein Verständnis aufbringen konnte, und so weiter.  

Eins weiß ich nun aber sicher: Gut erreichbar ist die Quelle nicht, und unser Wunsch, diesen Termin auch für Tischfreunde mit eingeschränkter Fitness machbar zu gestalten, war naiv!

Zudem war die Wettervorhersage wirklich nicht gut, und vielleicht der Termin auch nicht ganz optimal.

Wie dem auch sei, alle Veranstaltungen der Tischgemeinschaft sollen v.a. Spaß machen, daher ist es auch jedem Tischfreund immer freigestellt, ob er die Angebote wahrnehmen möchte oder kann, daher fasse diese Mail bitte nicht nur als „Gemecker vom Tischbaas“ auf, das soll es wirklich nicht sein! 

Aber nun wünsche ich Dir zunächst einen schönen Montagabend, vielleicht sehen wir uns ja morgen Abend (bereits um 19 Uhr!) im Henkelsaal, 

bis dahin liebe Grüße aus Krefeld wünscht Dir Dein Tischbaas 

Albert AK14